Montag, 15. März 2021

Rezension zu "Ministerium der Träume" von Hengameh Yaghoobifarah

 

Inhalt

Als die Polizei vor ihrer Tür steht, bricht für Nas eine Welt zusammen: ihre Schwester Nushin ist tot. Autounfall, sagen die Beamten. Suizid, ist Nas überzeugt. Gemeinsam haben sie alles überstanden: die Migration nach Deutschland, den Verlust ihres Vaters, die emotionale Abwesenheit ihrer Mutter, Nushins ungeplante Mutterschaft. Obwohl ein Kind nicht in ihr Leben passt, nimmt Nas ihre Nichte auf. Selbst als sie entdeckt, dass Nushin Geheimnisse hatte, schluckt Nas den Verrat herunter, gibt alles dafür, die Geschichte ihrer Schwester zu rekonstruieren – und erkennt, dass Nushin sie niemals im Stich gelassen hätte.

»Ministerium der Träume« ist ein Roman über Wahl- und Zwangsfamilie, ein Debüt über den bedingungslosen Zusammenhalt unter Geschwistern, das auch in die dunklen Ecken deutscher Gegenwart vordringt.


Autorin


Hengameh Yaghoobifarah, geboren 1991 in Kiel, studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik in Freiburg und Linköping. Nach einem Zwischenstopp in Wien zog Hengameh Yaghoobifarah 2014 nach Berlin und arbeitet dort seitdem in der Redaktion des Missy Magazine. Außerdem schreibt Hengameh Yaghoobifarah frei für deutschsprachige Medien, seit 2016 etwa die Kolumne »Habibitus« für die taz. 2019 hat Hengameh Yaghoobifarah gemeinsam mit Fatma Aydemir die viel beachtete Anthologie »Eure Heimat ist unser Albtraum« herausgegeben.

Herausgeber : Blumenbar; 1. Edition (5. Februar 2021) 

Sprache : Deutsch 

Gebundene Ausgabe : 384 Seiten 

ISBN-10 : 3351050879 

ISBN-13 : 978-3351050870

 

Meine Einschätzung 

Das Buch hat mich von der ersten Seite an gefesselt. Die Schreibweise ist sehr bildhaft, spricht den Leser an und die Geschichte, die erzählt wird, macht einem nachdenklich und erschreckt auch, denn hier wird das Leben von iranischen Flüchtlingen in Deutschland erzählt und man fragt sich, warum gibt es so eine Ausländerfeindlichkeit bei uns?

Aber zum Anfang....die Hauptheldin ist  Nasrin, die als als Kind mit Mutter und Schwester aus Teheran nach Deutschland immigriert, der Vater musste erstmal zurückbleiben und wird im Iran später hingerichtet. 

Der alleinerziehenden Mutter mit ihren beiden Töchtern wird es nicht leicht gemacht, sich in Deutschland einzuleben. Sie bekommt Hilfe von iranischen Freunden und so gelingt es erst einmal die Probleme des Alltags mit neuer Sprache, anderen Sitten, wenig Geld einigermaßen zu bestehen. Die einzige Verbindung in die alte Heimat ist eine Telefonzelle, von wo aus man mit Vater und den anderen Verwandten sprechen kann.

Doch die beiden Schwestern sind von Anfang an auf sich gestellt, denn die Mutter geht arbeiten. Schon auf dem Spielplatz erfahren die Kinder die Ablehnung der Deutschen, denn die Mütter verbieten ihren Kindern mit ihnen zu spielen. Die Schwestern geben sich gegenseitig Liebe und Halt, die sie in der neuen Heimat sonst vergeblich suchen. Nach dem Schulabschluss arbeitet Nasrin als Türsteherin in einer Lesbenbar in Berlin und ihre Schwester, die eine Tochter geboren hat, geht anschaffen....

Sehr schockierend ist es für Nasrin, als eines Tages die Polizei vor der Tür steht, mit der Nachricht, dass ihre Schwester bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Das kann sie nicht glauben, denn sie weiß, dass ihre Schwester zeitweise an Depressionen gelitten hat und denkt sofort an Selbstmord.

Nun muss sie für die Tochter ihrer Schwester da sein, denn in einem Testament wurde sie von ihr als Vormund gewünscht. Da eigentlich ihre Mutter das Mädchen zu sich nehmen wollte, kommt es nun erstmal zu einem Konflikt, in dem Nasrin ihrer Mutter schwere Vorwürfe wegen ihrer Kindheit in Deutschland macht. Die Handlung des Buches wird in mehreren Erzählsträngen beschrieben, in dem der Leser mehr über die Kindheit und Jugendzeit der Schwestern erfährt. 

So wird man als Leser mit Ereignissen konfrontiert, die große Spuren in der Psyche von Nasrin hinterlassen hat:  Sie wird mit 12 Jahren von einem Rechtsradikalen in einem Bauwagen vergewaltigt. In ihrer Pubertät in Lübeck trauen sie und ihre Freunde sich wegen rechter Mordanschläge nicht im Dunkeln vor die Tür.  Sie wird von einem immer wiederkehrenden Albtraum gequält, in dem eine Telefonzelle eine große Rolle spielt...

Mit Freunden gründet sie eine Antifagruppe, um aktiv gegen die Neonazis vorzugehen. Doch als sie nach Berlin zieht und es immer mehr zu Mordanschlägen gegenüber Ausländern kommt, geht auch diese Gruppe getrennte Wege....

Nun nach dem Tod ihrer Schwester hat sie die volle Verantwortung für deren Tochter, die im pubertären Alter ist und als Tochter einer Iranerin, dieselben schlechten Erfahrungen mit den Deutschen machen muss, wie ihre Mutter und ihre Tante. Auch die Frage, ob der Tod ihrer Mutter ein Unfall, Selbstmord oder sogar Mord war, macht das Zusammenleben nicht leichter.

Nasrin begibt sich auf Spurensuche und begegnet dabei alten Freunden der Antifagruppe und ihrer Jugendliebe. Ob sie den Tod ihrer Schwester aufklären kann und wie ihr Leben weitergeht, liest man in diesem Roman.

Das Buch beinhaltet eine Achterbahn der Gefühle. Manchmal muss man einfach als Leser eine Pause machen, um alles Gelesene zu überdenken....Es prasseln auf einen Gefühle ein, von Liebe, Freundschaft, aber auch Zorn und Wut, Verzweiflung und dann wieder Hoffnung.... Trauer und Zusammenhalt...Es kommen Fragen hoch, wieviel muss man für die Familie geben, auch opfern und wie verbindet man das alles für Freiraum für sich und sein eigenes Leben...

Es greift viele Konflikte unserer Gesellschaft auf und regt zum Nachdenken an, über Diskriminierung , Zusammenleben verschiedener Nationalitäten, Chancengleichheit, Rolle der Frau in unserer Gesellschaft.

Ein Buch, das viel Diskussionsstoff enthält und dem ich viele Lesefreunde wünsche.


 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen