Sonntag, 29. Mai 2016

Rezension zu "Aber ich sah ja selbst, das war der Krieg" -Kriegstagebuch und Briefe 1942-1945 von Konrad Wolf

Inhalt : Der Filmregisseur Konrad Wolf (1925-1982) hat uns ein außergewöhnliches Dokument hinterlassen: sein Kriegstagebuch in russischer Sprache. Die drei kleinen engbeschriebenen Notizbücher blieben unversehrt und vermitteln ungewöhnliche Einblicke in Erleben, Denken und Fühlen ihres Verfassers.
 Natürlich dürfen wir diese Aufzeichnungen nicht mit einer literarischen Erwartungshaltung lesen, liegt doch sein eigentlicher Reiz in der Unbekümmertheit des sehr jungen Schreibers und der Wahrhaftigkeit des Erlebten im harten Kriegsalltag zwischen Schlachtenlärm und Zeiten der Stille, in denen der Tod allgegenwärtig ist. Der Krieg beschleunigt den Prozess des Erwachsenwerdens des Jugendlichen, der sich auf die Suche nach sich selbst macht. Die Erlebnisse in der Moskauer Emigration und im Krieg haben den jungen Mann geprägt: er blieb zeitlebens ein überzeugter Kommunist, konsequenter Antifaschist und Freund des russischen Volkes.
Konrad Wolf kannte die unermesslichen Opfer der Völker der Sowjetunion und wusste, wer Deutschland maßgeblich befreit hatte - gehörte er doch selbst zu den Befreiern. Im Frieden setzte sich Konrad Wolf mit den Mitteln der Filmkunst für eine sozial gerechtere Welt und verstand sich ein Leben lang als Brückenbauer zwischen Deutschen und Russen. Das Buch mit der DVD „Ich war neunzehn“erschien zum 90. Geburtstag von Konrad Wolf.
Autor: Regisseur und Präsident derAkademie der Künste der DDR,
geboren 20. Oktober 1925 in Hechingen, Hohenzollernsche Lande
gestorben 7. März 1982 in Berlin
https://www.edition-die-moewe.de/konrad-wolf.html
Taschenbuch: 360 Seiten
Verlag: Edition Die Möwe; Auflage: 1 (15. Oktober 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3000505474
ISBN-13: 978-3000505478
Hier zu kaufen:
https://www.amazon.de/Konrad-Wolf-selbst-Kriegstagebuch-Briefe/dp/3000505474/ref=as_li_ss_tl?ie=UTF8&qid=1468761173&sr=8-1&keywords=Aber+ich+sah+ja+selbst&linkCode=ll1&tag=httppetrasbue-21&linkId=f3e9bbdf0325db0befcd03cf853b42fb
Mein Eindruck:
Dezember 1942- der 17jährige Konrad Wolf, Schüler einer 9.Klasse in einer Moskauer Schule wird zum Dienst in die Sowjetarmee einberufen. Er wird in die Politabteilung der 47. Armee kommandiert und macht sich auf den Weg ans Schwarze Meer. Dort befindet sich der von den Deutschen besetzte Kuban- Brückenkopf. Hier beginnt er am 18.03.1943 seine Aufzeichnungen in seinem Kriegstagebuch. Er schreibt in russisch,denn diese Sprache beherrscht er besser, als seine Vatersprache Deutsch. 1933 ist er mit seinen Eltern, sein Vater war der bekannte Schriftsteller Friedrich Wolf, und seinem Bruder Markus, als 8jähriges Kind aus Nazideutschland in die Sowjetunion emigriert. In Moskau hat er seine Schulzeit bis zur Einberufung verbracht.
Die Tagebuchaufzeichnungen und Briefe, die auch in diesem Buch veröffentlicht sind , schickte er von der Front nach Hause. In ihnen berichtete er von der Hölle des Krieges, von seiner Tätigkeit vor allem als Übersetzer, von Kameradschaft, aber auch Misstrauen ihm als Deutscher gegenüber. Mit Lautsprecherwagen fährt er zu Hauptkampflinien, ruft dort deutsche Soldaten auf, sich zu ergeben und so ihr Leben zu retten. Denn der Krieg hat sich zu dieser Zeit gewendet und die Rote Armee befindet sich auf dem Weg Richtung Berlin. Als junger Mann fällt es ihm schwer, sich an das Frontleben zu gewöhnen, doch er bekommt in aufmunternden Briefen zB. von seinem Vater immer wieder Mut zugesprochen. Es gelingt ihm die Gräuel des Krieges zu überleben, die ihm schon am 3. Tag seines Fronteinsatzes durch einen Bombenangriff der Deutschen begegneten: " ...Links neben der Straße lag ein Soldat mit zerfetztem Leib. Er war tot.....und der Natschalnik sagte an mich gewandt: "Ja, Konrad, das ist der Krieg." - Aber ich sah ja selbst, das war der Krieg...."
An ruhigen Tagen, zwischen den Schlachten, gilt es sich eine Waschgelegenheit zu organisieren, mal ein Brot und Eier zu kaufen oder sich einfach einen Schlafplatz zu suchen...Dann findet Konrad auch die Zeit ein paar Zeilen an seine große Liebe Nina zu schreiben, in der Hoffnung, dass ihre Beziehung die langen Kriegsjahre überlebt.
Am 18.April 1945 endet mitten im Satz das Tagebuch zu einem Zeitpunkt, als er mit dem Lautsprecherwagen an der Oder steht - der Sturm auf Berlin beginnt.
Durch seine Tagebuchaufzeichnungen erlebt man als Leser die Wandlung Konrad Wolfs vom jüngsten Soldaten seiner Einheit zum Mann und Kämpfer um die gerechteste Sache im Leben- den Frieden. Der Krieg ist für ihn zur Schule des Lebens geworden.
Ich war von den Aufzeichnungen gefesselt und habe mit dem Autor mitgebangt, bei seinem täglichen Kampf ums Überleben. Dieses sinnlose Sterben auf den Schlachtfeldern des damaligen Krieges muss für alle Menschen Mahnung sein, so etwas nie wieder zuzulassen. Gerade auch in der heutigen Zeit , mit Flüchtlingskrise in Europa, Aufrüstung der amerikanischen Streitkräfte entlang des Balkans, Naziaufmärsche in europäischen Städten ist dieses Buch aktueller denn je.
In einem Treatment "Heimkehr 45" - beginnt Konrad Wolf 25 Jahre nach dem letzten Tagebucheintrag aus dem Gedächtnis weitere Erlebnisse der letzten Kriegstage aufzuschreiben. Diese bilden die Grundlage für seinen Film "Ich war neunzehn" - der auf der beigelegten DVD mit im Buch enthalten ist.
Im Buch sind auch Fotos abgedruckt, die während des Krieges und bei den Dreharbeiten zum Film aufgenommen wurden.
Ergänzt werden die Aufzeichnungen ua. durch Protokolle von Vernehmungen deutscher Soldaten, die Konrad Wolf geführt hat, Flugblätter für deutsche Soldaten, einer Karte, die den Weg von Konrad Wolf im Großen Vaterländischen Krieg aufzeigt.
Sehr gut ist auch das Verzeichnis von Namen, Sachbegriffen und historischen Ereignissen.
Ich wünsche dem Buch viele interessierte Leser, vor allem auch Jugendliche, die damit ihre Geschichtskenntnise vertiefen können und durch diese geschilderten Erlebnisse eines Jugendlichen im 2. Weltkrieg erkennen, wie grausam Kriege sind und sich dann dafür einsetzen werden, dass vom deutschen Boden kein Krieg mehr ausgehen wird.



Samstag, 28. Mai 2016

Rezension zu "Die letzte Reise meiner Mutter" von AnneB. Ragde





Inhalt:»Verstreut meine Asche am Strand in Dänemark« – bis Anne B. Ragde ihrer Mutter diesen letzten Wunsch erfüllen kann, vergehen lange Monate des Wartens. Monate, in denen Anne an ihrem Bett sitzt und die Zustände im Pflegeheim hautnah mitbekommt. Monate, in denen sie sich manchmal nur ein schnelles, friedliches Ende für ihre Mutter wünscht. Monate, in denen sie ihr zuhört, den Geschichten von früher, aus Annes Kindheit, aber auch aus der Jugend der Mutter, von ihren Träumen und Wünschen – und so entsteht allmählich, wie ein Puzzle, das Bild einer ganz außergewöhnlichen Frau: stark, schwach, liebevoll, streng, exzentrisch, ganz normal – das Bild einer Mutter.
Autorin: Anne B. Ragde wurde 1957 im westnorwegischen Hardanger geboren. Sie ist eine der beliebtesten und erfolgreichsten Autorinnen Norwegens und wurde mehrfach ausgezeichnet. Zuletzt mit dem Norwegian Language Prize und dem Norwegischen Buchhandelspreis. Mit ihrer Trilogie »Das Lügenhaus«, »Einsiedlerkrebse« und »Hitzewelle« schrieb sie sich in die Herzen der Leserinnen und Leser; ihre Romane erreichten in Norwegen eine Millionenauflage. Anne B. Ragde lebt heute in Trondheim.
Format: Taschenbuch, Broschur
Verlag: btb Verlag
erschienen : 11.04.2016
Seitenanzahl: 304 Seiten
ISBN: 9783442749843

Mein Eindruck:
In diesem berührenden autobiografischen Roman geht es um das Tochter- Mutter- Verhältnis der Autorin zu ihrer Mutter. Als diese mit über 80 Jahren an aggressiven Lymphkrebs erkrankt, beschließt Anne B. Ragde über das Leben ihrer Mutter zu schreiben, um sie so unsterblich zu machen. Herausgekommen ist ein Roman, der mich tief berührt hat und seit vielen Tagen nicht mehr loslässt.
Es ist die Lebensgechichte einer Frau, die von ihrem Mann verlassen wird und nun ohne große finanzielle Unterstützung mit 2 kleinen Töchtern das Leben meistern muss. Obwohl sie zeitweise von Sozialhilfe leben müssen, tut sie alles, damit es ihren Kindern an nichts fehlt. Aus einfachen Lebensmitteln zaubert sie schmackhafte Speisen, gestaltet die Sozialwohnung so gemütlich, wie möglich und liest den Kindern regelmäßig Geschichten vor. Als sie Arbeit in einer Fabrik in der Spätschicht findet - bleibt sie trotzdem die fürsorgende Mutter. Doch obwohl sie eine starke Frau und liebevolle Mutter ist, zweifelt, sie selber daran.
Ihre große Leidenschaft sind Bücher und sie ist sehr stolz, dass ihre große Tochter eine gefeierte Autorin geworden ist. Besonders im Rentenalter wird die Liebe zu den Büchern ihr Lebensinhalt :  "Ich verschwinde aus meinem Leben, wenn ich lese. Und das ist doch wirklich Grund genug." Sie kann sich nur eine Sozialwohnung leisten, die sie aber liebevoll einrichtet und deren Hauptgegenstände ein Fernseher und ihre geliebten Bücher sind. Ihre beiden nun erwachsenen Töchter kümmern sich liebevoll um sie, doch sie können nicht verhindern, dass ihre Mutter nur einen Kurzzeitpflegeplatz wegen der Chemobehandlung in einem Pflegeheim bekommt. Hier ist das Pflegepersonal völlig überfordert und die schlimmsten Befürchtungen der Mutter, die über den Pflegenotstand schon oft gelesen hat, werden nun wahr....
Obwoh diese Lebensgeschichte in Norwegen spielt, gibt es leider zu viele Parallelen in Deutschland.
Das erlebte und erlebe ich selber - da auch ich vom Kindsvater verlassen wurde , ohne finanzielle Unterstützung von ihm, meine beiden Kinder alleine großgezogen habe. Die Alleinerziehenden haben einfach keine Lobby in unserem Land und wer nicht das Glück hat, eine gutbezahlte Arbeit zu finden, denn wer stellt schon gern Alleinerziehende mit mehreren Kinder ein, kann auch nichts fürs Alter zurücklegen und wird so später zum Sozialfall....
Besonders berührt haben mich die liebevollen Gesten der erwachsenen Töchter zu ihrer Mutter. Da diese kein Geld annehmen wollte, wurden gemeinsame Reisen organisiert, ihr warme Kleidung gekauft. Wenn die Mutter ins Krankenhaus musste, wechselten sich die Töchter gegenseitig mit Besuchen ab, obwohl sie hunderte Kilometer von der Mutter entfernt wohnten.
Bei ihren Besuchen im Pflegeheim kam die Autorin mit der Mutter immer wieder ins Gespräch über ihr Leben und die gemeinsamen Jahre und sie lernten sich so besser kennen und verstehen.
Sehr aufwühlend sind die Beschreibungen des Pflegenotstandes im Heim, in dem die Mutter ihre letzten Tage verbringen muss.
Das hat kein Mensch verdient, so sein Leben beenden zu müssen. Der grausame Höhepunkt dazu ist die lapidare Antwort des Bezirksamtes auf die Klage der Töchter gegen die schlechte medizinische und pflegerische Versorgung der Mutter und die Missstände im Heim: "Das Recht auf notwendige
Gesundheits- und Pflegedienste beinhaltet nicht das Recht auf optimale Wahrung des Lebensstandards, soll jedoch einen gewissen Mindeststandard nicht unterschreiten."
Auch in unserem Land müssen viele Menschen Angst davor haben, als Pflegefall elend zu enden.
Dieser Roman wird hoffentlich dazu beitragen, noch mehr Menschen wach zu rütteln, etwas aktiv gegen den Pflegenotstand in unseren Kliniken und Heimen zu unternehmen und das Leben der Alleinerziehenden zu verbessern und mehr zu würdigen.
Die Schreibweise der Autorin ist sehr berührend, manchmal ist der Handlungsstrang nicht leicht zu verfolgen, weil es viele Zeitsprünge gibt.
Ich wünsche dem Buch viele interessierte Leser, die dadurch sicher dazu bewegt werden, ihren alten Eltern mehr Aufmerksamkeit zu schenken und mitzuhelfen ihnen einen schönen Lebensabend zu gestalten.
Hier zu kaufen : https://www.amazon.de/Die-letzte-Reise-meiner-Mutter/dp/3442749840/ref=as_li_ss_tl?ie=UTF8&qid=1468761538&sr=8-1&keywords=Die+letzte+Reise+meiner+Mutter&linkCode=ll1&tag=httppetrasbue-21&linkId=227c832882c90597d93e8b63b4d176ba 

Mittwoch, 18. Mai 2016

Rezension zu "Die Mutter meiner Mutter" von Sabine Rennefanz



Inhalt:

Von der Autorin des SPIEGEL Bestsellers "Eisenkinder"

Als der Krieg zu Ende war, fing für die vierzehnjährige Anna der Kampf erst an. Ihre Mutter war lange tot, ihr Vater von den Russen verhaftet worden, ihre Heimat verloren. Als Flüchtling machte sie sich mit ihren kleinen Brüdern allein auf den Weg nach Westen und fand in Kosakenberg, einem Dorf in der sowjetischen Besatzungszone, Unterschlupf. Am Hof der Familie Wendler kann sie als Magd härteste körperliche Arbeit leisten. 1949 kehrt Friedrich Stein aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft nach Kosakenberg zurück. Das Deutschland, das er verlassen hat, gibt es nicht mehr: seine Familie ist tot, sein Anwesen von Flüchtlingen besetzt, das Dorf voller Sowjet-Propaganda. Ein gebrochener Mann, zwanzig Jahre älter als Anna. Anna macht die Traurigkeit in seinen Augen vom ersten Tag an Angst.

Autorin: Sabine Rennefanz, 1974 in Beeskow geboren, studierte Politologie in Berlin und Hamburg. Sie arbeitet seit 1993 als Journalistin, seit 2001 als Redakteurin für die Berliner Zeitung, für die sie mehrere Jahre aus London schrieb. Für ihre journalistische Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Theodor-Wolff-Preis und dem Deutschen Reporterpreis. Ihr erstes Buch, "Eisenkinder", erschien 2013 und stand mehrere Wochen auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.

Format: Gebundenes Buch mit Schutzumschlag

Verlag:  Luchterhand
erschienen: 14.09.2015 
Seitenanzahl: 253

Mein Eindruck

Mit diesem autobiographischen Roman nimmt die Autorin uns mit auf Spurensuche in ihrer Familiengeschichte. Sie führt zur Aufdeckung eines schrecklichen Familiengeheimnisses, das ihre Mutter nach sechzig Jahren erfahren hat und dass den Großvater und die Großmutter der Autorin betrifft. Es fällt der Autorin schwer zu glauben, dass ihr Großvater etwas Schreckliches getan haben soll, denn für sie ist es ihr Kinderheld, der immer für die Familie da war, der sie vor allen Gefahren des Lebens beschützt hat. Ganz anders hat sie ihre Großmutter erlebt. Sie zeigt nie Gefühle, man sieht sie nie lachen, Berührungen weicht sie aus....Die Großeltern reden sich nie mit Vornamen an. Aber die Großmutter kümmert sich gut um ihre drei Töchter, besonders sorgt sie sich um die Erstgeborene, Sabines Mutter....Diese erzählt in einem Telefonat ihrer Tochter von der schrecklichen Entdeckung - der grausamen Tat, die der Großvater begangen haben soll. Wie konnte es dazu kommen und wieso verschwiegen die Mitwissenden diese Tat über die vielen Jahre. Die Spurensuche führt Sabine auf den schicksalshaften Lebenweg ihrer Großmutter, die eine glückliche Kindheit in einem polnischen Dorf erlebt hat. Als in den letzten Kriegsmonaten russische Soldaten ihren Vater festnahmen, musste diese, 14jährig, mit ihrer Stiefmutter und ihren kleinen Brüdern flüchten. Ihr Weg führte sie in ein ostdeutsches Dorf, wo sie die Stelle als Magd bei einer Bauernfamilie  annahm. Dort begegnete dem Mädchen der Kriegsheimkehrer Friedrich Stein. Obwohl seine Anwesenheit ihr immer Angst machte, heirateten die beiden eines Tages - warum ?
Die Erzählung hat mich sehr berührt. In ihrer schon fast dokumentarischen  Erzählweise bringt die Autorin die psychische Kälte rüber, von der ihre Großmutter in ihrem Leben umgeben war. Man erfährt beim Lesen, wie der Krieg das Leben von Generationen von Menschen beeinflusst und verändert hat. Ich glaube jeder, der das Buch liest, wird darüber nachdenken, ob es nicht sehr wichtig ist, mehr von den Großeltern oder Eltern zu erfahren, die selbst den 2. Weltkrieg oder die Nachkriegszeit erlebt haben. Dieses Wissen würde sicher das Verständnis der jungen Generation gegenüber der älteren verbessern und das Miteinander in den Familien verstärken.
Die Erzählung ist auch Mahnung an alle, dass die Geschichte nicht vergessen werden darf, damit auch die künftigen Generationen daraus lernen können und mit dafür einstehen, Kriege zu verhindern.
Besonders in der heutigen Zeit, wo die Flüchtlingskrise in Europa zum größten Problem geworden ist, ist dieses Buch sehr aktuell.
Mir hat die Erzählweise der Autorin sehr gefallen, mich fesselte die Geschichte und ich konnte kaum erwarten den Ausgang zu erfahren. Persönlich hat mich diese Geschichte sehr berührt, da meine Mutter auch ein Flüchtlingskind aus den Ostgebieten war, die gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem damals 4 Monate alten Bruder im Winter 1945 nach Ostdeutschland kam...
Die verschiedenen Erzählstränge, z.B. aus der Sicht der Enkelin, die Geschichte ihrer Großmutter und ihrer Mutter, sowie deren Schwestern belebten die Handlung.
Sehr gefallen hat mir der Bericht von der gemeinsamen Fahrt in die alte polnische Heimat der Großmutter und deren persönliche Wandlung beim Besuch ihres Elternhauses.
Ein Buch, das berührt, zum Nachdenken anregt. Für alle Leser, die historische autobiographische Erzählungen lieben.

Donnerstag, 12. Mai 2016

Rezension zu "Anna und Armand" von Miranda Richmond Mouillot






Inhalt: 1948, nachdem sie gemeinsam den Zweiten Weltkrieg überlebt haben, kaufen Anna und Armand – die Großeltern der Autorin – ein altes Steinhaus in einem abgelegenen, malerischen Dorf in Südfrankreich. Fünf Jahre später packt Anna ihre Sachen und verlässt Armand. Die Schreibmaschine und die Kinder nimmt sie mit. Abgesehen von einer kurzen Begegnung, haben die beiden nie mehr miteinander gesprochen, nie neu geheiratet oder irgendjemandem offenbart, was sie so unwiederbringlich entzweit hat.
Dieses Buch ist die mitreißende Geschichte der Reise, die Miranda Richmond Mouillot unternahm, um zu den Wurzeln dieses verbitterten, unbeugsamen Schweigens vorzudringen. Einer Reise, auf der sie lernte, wie man nicht nur überlebt, sondern das Leben in all seiner Schönheit umarmt – indem sie das alte Steinhaus und das kleine südfranzösische Dorf zu ihrem Zuhause machte und die Liebe fand …

Autorin: Miranda Richmond Mouillot wurde in Asheville, North Carolina geboren. Zusammen mit ihrem Mann, ihrer gemeinsamen Tochter und einer Katze lebt sie in Südfrankreich.

Format: gebundenes Buch mit Schutzumschlag

erschienen: 14.03.2016 bei LIMES

Seitenanzahl: 352 Seiten

ISBN: 978-3-8090-2654-9

http://www.randomhouse.de/Buch/Anna-und-Armand/Miranda-Richmond-Mouillot/Limes/e469444.rhd#buchInfo2

Hier kaufen: https://www.amazon.de/Anna-Armand-Gro%C3%9Feltern-fanden-trennte/dp/3809026549/ref=as_li_ss_tl?ie=UTF8&qid=1468762221&sr=8-1&keywords=anna+und+armband&linkCode=ll1&tag=httppetrasbue-21&linkId=b09cb8a4575579802b8398d480756534 

Meine Einschätzung

Dieses Buch ist ein dokumentarischer Bericht - kein Roman. Die Autorin nimmt uns mit auf die Suche nach ihren Wurzeln. Sie liebt ihre jüdischen Großeltern und möchte gern erfahren, warum diese sich kurz nach dem Krieg getrennt haben, obwohl sie sich kurz vor der Trennung ein Häuschen in Frankreich gekauft hatten. 50 Jahre haben die beiden sich nie wieder getroffen und auch niemanden den Grund ihrer Trennung gesagt. 10 Jahre hat die Spurensuche ihrer Enkelin gedauert und es führte sie von Amerika nach Frankreich, wo ihr Großvater seit dem Krieg lebt. Für sie ist es nicht zu verstehen, warum die Großeltern, die den Holocaust überlebt haben, auf ihrer Flucht vor den faschistischen Häschern durch die gleiche Hölle gegangen sind, ihre Liebe zueinander verloren haben...Auf der Spurensuche möchte sie auch erfahren, warum sie immer wieder schon seit Kindheit an, von Alpträumen geplagt wird.
Diese Buch beweist wieder einmal, wie wichtig es ist, die Geschichte nie außer Acht zu lassen und heutzutage darum zu kämpfen, dass der Frieden erhalten wird und keine Familie solche Grausamkeiten durchleben muss, wie Anna uund Armand.
Sehr gut finde ich, dass zu Beginn auf einer Karte, die wichtigsten Stationen der Flucht von Anna und Armand gemeinsam mit einer Zeittafel abgebildet sind. So kann man als Leser einen Eindruck vom Ausmaß des Fluchtweges bekommen.
Die Großeltern werden als sehr liebenswürdige Charaktere von mir empfunden. Jeder auf seine Art möchte der Enkelin seine Lebenserfahrungen erzählen und sie gleichzeitig darin bestärken, ihren eigenen Lebensweg zu finden.
Genau wie die Autorin selbst, wird man berührt vom Schicksal der beiden. Als Leser taucht man in die geschilderten Handlungen ein, z.B. die Flucht der beiden in die Schweiz, und hofft und bangt mit den Flüchtlingen.
Auch die Schilderung der Tätigkeit des Großvaters als 30jähriger junger Mann, als Dolmetscher beim Nürnberger Prozeß berührte mich sehr.
Die Spurensuche führt die Autorin auf zwei Kontinente und lässt sie selber eine neue Heimat finden. Die liebevolle Fürsorge für ihren demenzkranken Großvater sollte für viele ein Beispiel dafür sein, wie jung und alt in den Familien füreinander sorgen sollten.
Ob es Miranda Richmond Mouillot gelingt, hinter das Geheimnis für das Scheitern einer großen Liebe zu kommen, wird in diesem berührenden Buch dokumentiert, das auch private Fotos aus der damaligen Zeit beinhaltet.
Für alle Leser, die mehr über das Schicksal von Flüchtlingen während des 2. Weltkrieges erfahren möchten und Liebhaber von historischen Dokumentationen.

 











Sonntag, 1. Mai 2016

Rezension zu "Und sie werden nicht vergessen sein" von Carmen Lobato







Inhalt : Amarna, die deutsche Archäologin, und Arman, der armenische Bildhauer - ein wahrhaft unvergessliches Liebespaar: Im London des Jahres 1938 gelten sie als glamouröses Traumpaar, doch ein tiefer Schatten liegt auf ihrer Liebe. Arman hat durch den Genozid an seinem Volk 1915 seine ganze Familie verloren. Wie eine unsichtbare Mauer steht dieses Grauen zwischen den beiden und wächst von Tag zu Tag. Dann bricht der Krieg aus, und Arman meldet sich freiwillig zur Royal Air Force. Am Fuß des Ararat, in den mythischen Ruinen, die die Wiege der armenischen Kultur bergen, wird sich die Kraft ihrer Liebe beweisen müssen.

Autorin: Carmen Lobato- heißt im wirklichen Leben Charlotte Lyne und schreibt auch unter dem Pseydonym Charlotte Roth. Sie ist Romanistin, arbeitet in einem Museum und war zeit ihres Lebens eine leidenschaftliche Reisende. Für ihren neuen Roman hat sie umfangreiche Recherchen vor Ort in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und dem armenischen Teil von Anatolien betrieben. Carmen Lobato ist als Dozentin tätig und lebt mit ihrer Familie in verschiedenen europäischen Städten.
Die versunkenen Kulturen des alten Orients und das tragische Schicksal des armenischen Volkes sind ihr ein besonderes Anliegen.

Format: Taschenbuch/ Knaur
erschienen: 1.03.2016
 Seitenanzahl : 768 S.
ISBN: 978-3-426-51820-5
Hier zu kaufen: https://www.amazon.de/sie-werden-nicht-vergessen-sein/dp/3426518201/ref=as_li_ss_tl?s=books&ie=UTF8&qid=1468762431&sr=1-1&keywords=und+sie+werden+nicht+vergessen+sein&linkCode=ll1&tag=httppetrasbue-21&linkId=4db71e8708bea478c0a92fdf26e64b08 

Mein Eindruck 
Dieses Buch ist eine Weiterführung des Romans "Die Stadt der schweigenden Berge". Auch wenn ich den ersten Teil nicht gelesen habe, war mir der Handlungsablauf in diesem Buch voll verständlich, da die Autorin in Rückblenden den Leser voll in die Geschichte eintauchen lässt.
Die Handlung führt den Leser in die Jahre 1932 bis 1944. In mehreren Erzählungssträngen werden die Schicksale verschiedener Paare geschildert- ua. von Eva Löbel und Martin Serner aus Berlin und Amarna und Arman, die in England leben.

Berlin 1938- Eva Löbel lebt seit 5 Jahren mit dem berühmten Filmschauspieler Martin Serner zusammen. Beide haben sich im Sommer 1932 bei einem Filmdreh kennengelernt und sich ineinander verliebt. Gemeinsam haben sie eine kleine Tochter Chaja. Eva ist eine anerkannte Künstlerin, deren Bilder in Ausstellungen Bewunderer findet. Das Leben könnte für alle drei glücklicher nicht sein, doch es ist die Zeit des Nationalsozialismus und Eva ist Jüdin....Es kommt dazu, dass Martin sich gezwungen sieht, Eva und sein Kind Chaja zu verleugnen, um weiter Filmrollen zu erhalten. Als dann Evas Kunstwerke verschwinden, da sie als entartet von den Nazis bezeichnet werden, macht sie sich auf die Suche nach ihnen. Doch sie hat nicht mit der Gestapo gerechnet und findet sich in deren Folterkellern wieder....
In London leben Arman und seine Frau Amarna zusammen. Er ist ein über die Ländergrenzen hinweg anerkannter armenischer Bildhauer, dessen Kunstwerke auch Eva bewundert. Amarna, eine Altorientalistin, deren Vater in Berlin lebt, wünscht sich mit ihrem Arman ein Kind. Doch leider bleibt beiden dieses Glück versagt.
Arman hat als Kind den Genozid am armenischen Volk miterlebt und ist der einzige seiner Familie, der überlebt hat. Diese grausame Vergangenheit zeichnet seine Seele für immer und er fühlt sich schuldig, als einziger überlebt zu haben. Er kann Gefühle sehr schwer zeigen und auch Berührungen von Fremden kann er nicht ertragen. Doch er ist immer bereit, sogar sein Leben einzusetzen, wenn es darum geht, Menschen vor Verfolgung zu retten und ihr Leben zu behüten. Als der 2. Weltkrieg ausbricht, meldet Arman sich freiwillig zur Royal Force. Amarna ist entsetzt darüber, denn sie hat Angst ihn zu verlieren.
Als sie einen Brief von einem Freund aus Berlin erhält, der sie bittet, ein kleines jüdisches Mädchen aufzunehmen, um sie so vor der Gestapo zu retten, sagt sie sofort zu. Sie hofft mit diesem Kind ihren Mann von dem freiwilligen Fronsteinsatz abzubringen...
Hier beginnt im Roman die Verknüpfung der Schicksale beider Paare....
Mich hat dieses Buch sehr berührt. Ja ich kann sagen, es ist für mich seit langem das beste Buch, das ich gelesen habe !
Die Schicksale der Figuren im Roman - ob Haupt- oder Nebengestalt-  sind tiefgründig und emotional und lassen den Leser nicht los. Der Autorin gelingt es mit einer besonderen bildhaften, ja teilweise poesievollen Sprache, den Leser zu berühren und mitzunehmen. Ein Beispiel dazu - das mir besonders aufgefallen ist: "Chaja"; murmelte Martin. Als ätzten die Silben ihm Brandlöcher in die Mundschleimhaut."
Beim Lesen habe ich mich auf einer emotionalen Achterbahn befunden....Ich habe mit Eva mitgelitten, als sie im Folterkeller der Gestapo verhört wurde, war voller Wut, als die Nazis in der Pogromnacht gegen die Juden wüteten, mordeten, vernichteten...Bangte mit den Menschen im viel zu kleinen Luftschutzbunker....weinte um die Freunde, die dabei umkamen...Bangte mit Eva, ob sie wieder ihre kleine Tochter in die Arme schließen konnte....Wollte Arman trösten, wenn er nachts wieder von Alpträumen geplagt, schreiend aufwachte...Freute mich mit Amarna- als ihre kleine Pflegetochter das erste Mal nach Monaten lächelte und zu ihr sprach...Konnte viel über  Berliner und englischen Witz und Schlagfertigkeit lachen....
Die Geschichte ist voller Gefühlsmomente, fesselnder Spannung, aber auch Momente der Ruhe und Poesie.
Der Roman mahnt die Geschichte nie zu vergessen, die Menschen, die verfolgt, gefoltert und ermordet wurden, weil sie einem bestimmten Volk, einer bestimmten Religion angehörten oder eine andere Meinung als die Herrschenden eines Landes hatten.Verknüpft wird im Roman den von der Weltöffentlichkeit weitgehend vergessenen Völkermord an den Armeniern mit der Vernichtung der Juden in der Zeit des deutschen Faschismus.
Am 24. April jährt sich jedes Jahr der Genozid-Gedenktag in Armenien, denn in dieser Nacht zu 24.April 1915 begann in der osmanischen Hauptstadt Konstantinopel die Ausschaltung und Vernichtung der Armenier. Bei Massakern und Todesmärschen, die 1915/1916 stattfanden, wurden bis zu 1,5 Mio Armenier ermordet. In der Türkei steht die Benennung des Genozids auch heute noch unter Strafe. Doch diese Grausamkeit darf nie vergessen werden !
Auch mahnt der Roman heute alles zu tun, um solche Gräueltaten zu verhindern und Flüchtlingen zu helfen, die aus Kriegsgebieten nach Europa kommen. Dazu ein Zitat aus dem Roman- der auch heute leider sehr aktuell ist : " 'Für unsere Länder sind wir Feinde, die es hinauszujagen gilt. Und im Ausland sind wir Feinde, weil wir aus diesen Ländern stammen. Sollen wir auf den Mond? Ins Meer? Hat sich irgendwer überlegt was mit uns geschehen soll?'
Ich kann dieses berührende Buch nur jedem wärmstens empfehlen.
Ich bedanke mich bei Carmen Lobato für unvergeßliche Lesestunden und werde mir jetzt den ersten Teil besorgen, um wieder erlebnisreiche Stunden mit meinen neuen literarischen Freunden zu erleben.