Donnerstag, 19. August 2021

Rezension zu "Die Selbstgerechten" von Sahra Wagenknecht

 

Inhalt

Urban, divers, kosmopolitisch, individualistisch – links ist für viele heute vor allem eine Lifestylefrage. Politische Konzepte für sozialen Zusammenhalt bleiben auf der Strecke, genauso wie schlecht verdienende Frauen, arme Zuwandererkinder, ausgebeutete Leiharbeiter und große Teile der Mittelschicht. Ob in den USA oder Europa: Wer sich auf Gendersternchen konzentriert statt auf Chancengerechtigkeit und dabei Kultur und Zusammengehörigkeitsgefühl der Bevölkerungsmehrheit vernachlässigt, arbeitet der politischen Rechten in die Hände. Sahra Wagenknecht zeichnet in ihrem Buch eine Alternative zu einem Linksliberalismus, der sich progressiv wähnt, aber die Gesellschaft weiter spaltet, weil er sich nur für das eigene Milieu interessiert und Diskriminierung aufgrund sozialer Herkunft ignoriert. Sie entwickelt ein Programm, mit dem linke Politik wieder mehrheitsfähig werden kann. Gemeinsam statt egoistisch.

Autorin

Sahra Wagenknecht ist promovierte Volkswirtin, Publizistin und Politikerin, Mitglied des Bundestages für die Partei Die Linke, für die sie auch im Europäischen Parlament saß. Von 2010 bis 2014 war sie Stellvertretende Parteivorsitzende, von 2015 bis 2019 Vorsitzende der Linksfraktion.

Bei Camus sind ihre Dissertation The Limits of Choice und ihre Bücher Freiheit statt Kapitalismus (2012) und Reichtum ohne Gier (2016/18) erschienen.


Herausgeber ‏ : ‎ Campus Verlag (14. April 2021) 

Sprache ‏ : ‎ Deutsch 

Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 345 Seiten 

ISBN-10 ‏ : ‎ 3593513900 

ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3593513904

Meine Einschätzung

Ich war sehr neugierig auf dieses Buch, da ich Sahra Wagenknecht mit ihrer Sicht auf die politische Lage in Deutschland sehr schätze. Der Untertitel des Buches "Mein Gegenprogramm - für Gemeinsinn und Zusammenhalt" klingt sehr interessant. In unserer Gesellschaft, in der nach wie vor der Ellbogen regiert und die Schwächeren keine Möglichkeit bekommen, sich ein zufriedenes und glückliches Leben aufzubauen, wird es Zeit zu einem Programm, bei dem jeder die gleichen Chancen im Leben bekommt. Doch leider scheint in unserer Konsumgesellschaft, in der nach wie vor das Geld regiert, kaum eine Möglichkeit zu sein, so ein Programm auf den Weg zu bringen. Selbst die Linkspartei kritisiert Sahra Wagenknecht für ihre Ideen.

Im ersten Teil ihres Buches geht sie unter anderem auf die historischen Ziele der linken Arbeiterparteien ein, die Menschen vor Armut, Demütigung und Ausbeutung schüzen wollten. Heute gibt es diese traditionelle linke Bewegung für sie hauptsächlich in den Gewerkschaften, besonders dort in den unteren Ebenen. Man findet jetzt man in der Politik, statt der traditionellen Linken, die Lifestyle Linken. Diese haben in ihrer Politik nicht mehr die Lösung sozialer und politökonomischer Fragen, sondern  als Hauptinhalt stehen Fragen des Lebensstils, der Konsumgewohnheiten und moralische Haltungsnoten. Offen deckt Wagenknecht dabei die Gründe dieser Entwicklung auf. 

Auch werden von ihr die Zusammenhänge der Entstehung der Coronaleugner mit der jetzigen Politik während der Pandemie aufgedeckt, sowie die Entwicklung der Nazibewegung und ihre Auswirkungen auf Proteste, an denen sich junge Menschen, Rentner, Arbeitslose, Alleinerziehende beteiligen, da sie sich von der rechten Szene oftmals verstanden fühlen.

 Sahra Wagenknecht zeigt auch die Gründe der Wahlverdrossenheit der Menschen auf, die sich nicht mehr durch Wahlversprechen täuschen lassen und sich leider auch immer mehr von der Linkspartei abwenden, da diese ihre Probleme zB. in der ungerechten Arbeitswelt, in der Reiche immer reicher werden und Arme immer ärmer, nicht mit Nachdruck vertreten.

Im 3. Kapitel des Buches, in dem es um Solidarität, Triumph und Demütigung geht, wird die Geschichte des Arbeiterklasse beleuchtet. Hier erfährt der Leser, wie der Lohnarbeiter um seine erkämpften Rechte gebracht wurde und das am Beispiel der Siebziger Jahre bis heute.

Auch wer durch die Zuwanderung von Migranten, ob Flüchtling oder Zuwanderer gewinnt, wird in einem Kapitel sehr gut dargestellt. Sie werden als billige Arbeitskräfte und Lohndrücker missbraucht, die akademischen Ressourcen (Ärzte, Alten- und Krankenpfleger, Ingenieure) der Herkunftsländer werden damit ausgebeutet und das ganze wird noch als Wohltat verkauft.                                               

In ihrem Programmvorschlag zeigt die Autorin nachvollziehbar auf, wie die von ihr geforderten wirtschaftlichen Veränderungen, die eine Verbesserung der Lebenssituation breiter Bevölkerungsschichten bedeuten würde, finanziert werden könnten. Anhand der Funktionsweise von Zentralbanken macht sie deutlich, wie wichtig die Forderung ist, dass sich die Bank in den Dienst einer sozialen Wirtschaftspolitik stellen muss. 

Sie tritt für eine bessere linke Agrarpolitik ein, indem sie konkret an Beispielen aufzeigt, wie die Bauern unter der heutigen niedrigen Gewinnspanne nur verlieren können. 

Weiterhin wirbt sie für Leistungseigentum für eine innovative Wirtschaft, dem sie ein weiteres Kapitel widmet. Darin greift sie ua die Globalisierung der letzten Jahre an, die kein Motor für Wohlstand war, sondern die Ungleichheit gefördert hat. Verbunden ist dies mit dem wachsenden Reichtum einer Minderheit und Zerstörung von Arbeitsplätzen, Verschlechterung der Lebensverhältnisse des größten Teils der Menschen.

Zusammenfassend kann ich einschätzen, dass dieses Buch versucht Fehler der linksgerichteten Parteien zu analysieren, den Neoliberalismus zu entlarven und neue Schwerpunkte zur Lösung anstehender Probleme, wie Arbeitslosigkeit, Armut, ungerechte Bezahlung aufzuzeigen.

Interessant für jeden Menschen, der offen ist für einen sozialeren Staat, gegen Neoliberalismus.

Ich wünsche dem Buch viele interessierte Leser.

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