Mittwoch, 13. März 2019

Rezension zu "Serotonin" von Michel Huellebecq

Inhalt

Als der 46-jährige Protagonist von SEROTONIN, dem neuen Roman des Goncourt-Preisträgers Michel Houellebecq, Bilanz zieht, beschließt er, sich aus seinem Leben zu verabschieden – eine Entscheidung, an der auch das revolutionäre neue Antidepressivum Captorix nichts zu ändern vermag, das ihn in erster Linie seine Libido kostet. Alles löst er auf: Beziehung, Arbeitsverhältnis, Wohnung. Wann hat diese Gegenwart begonnen? In der Erinnerung an die Frauen seines Lebens und im Zusammentreffen mit einem alten Studienfreund, der als Landwirt in einem globalisierten Frankreich ums Überleben kämpft, erkennt er, wann und wo er sich selbst und andere verraten hat.

Noch nie hat Michel Houellebecq so ernsthaft und voller Emotion über die Liebe geschrieben. Zugleich schildert er in SEROTONIN den Kampf und den drohenden Untergang eines klassischen Wirtschaftszweigs in unserer Zeit der Weltmärkte und der gesichtslosen EU-Bürokratie.

Autor

Michel Houellebecq wurde 1958 auf La Réunion geboren und wuchs bei seinen Großeltern in Crécy-La-Chapelle auf.

1980 erhielt er sein Diplom als Agraringenieur, danach arbeitete er im Informatik-Bereich.
Houellebecq veröffentlichte zunächst Gedichtbände, für die er bald mit Preisen ausgezeichnet wurde. 1992 wurde ihm der Prix Tristan Tzara für »Suche nach Glück«, 1996 der Prix de Flore für »Der Sinn des Kampfes« verliehen. Der internationale Durchbruch gelang ihm mit seinem ersten Roman »Ausweitung der Kampfzone«.

Gebundene Ausgabe: 330 Seiten 
Verlag: DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG; Auflage: 6 (25. Januar 2019) 
Sprache: Deutsch 
ISBN-10: 3832183884 
ISBN-13: 978-3832183882

Meine Einschätzung 

Es ist ein sehr umstrittenes Buch und gerade deshalb, war ich sehr neugierig darauf. Ich hatte vorher den Autor noch nicht gekannt. Es ist eine Geschichte, die das Leben pessimistisch darstellt, aber viele Fragen aufwirft. Eine Kritik an die westliche Kultur, die sich anscheinend nur mit starken Psychopharmaka aushalten lässt.
Eine Welt wird dargestellt, in der es für die Liebe kaum Platz gibt und sie somit verkommt zur Befriedigung der sexuellen Lust. Es zeigt auf, wie groß die Gefahr ist, in unserer Gesellschaft zu vereinsamen, selbst wenn die materielle Basis des eigenen Lebens gesichert ist. Auch manifestiert es den Hang zum schnellen Griff zu einer Pille, um weiter zu funktionieren im Hamsterrad des Lebens.
Der Autor zeigt ua. die Probleme der heutigen Landwirtschaft, die Verzweiflung vieler Kleinbauern, die gegen große Konzerne in der Lebensmittelindustrie kaum Mittel haben, um ihre Existenz zu retten.
Die Schreibweise ist voller Sarkasmus und schwarzem Humor. Die Handlung oftmals verwirrend, wenn der Protagonist sich in Tagträumen flüchtet oder er von Erinnerungen eingeholt wird, die wieder abrupt enden. Das unterstreicht aber seine depressiven Phasen, die durch Psychopharmaka und Alkohol noch verstärkt werden. Der Satzbau ist meisterhaft - obwohl mancher Satz fast eine Seite lang ist, stört das nicht im Lesefluss. In der Ich-Erzählung geschrieben, lesen wir die Geschichte des jungen Franzosen Florent-Claude Labrouste.
Er ist 46 Jahre alt, hat 700 000 Euro auf dem Konto, verfällt in eine tiefe Depression, denn er findet keinen Ausweg aus seiner Beziehung zu einer Japanerin, die für ihn zwar noch sexuell anziehend ist, aber ihm kein Gefühl der Liebe mehr gibt. So machen wir uns mit ihm auf den Weg, der sein neuer Lebensabschnitt sein soll. Doch auch hier findet er nur unglückliche Männer, verlassen von ihren Frauen, ohne Zukunft...Als auch noch Weihnachten vor der Tür steht und ihm sein Arzt als Ausweg vor einer verstärkten Depression eine Reise nach Thailand und Sex mit jungen Frauen empfiehlt, scheint eine Welt für ihn zusammenzubrechen...Es kommen wieder Erinnerungen an seine große Liebe zu Camille hoch, die er mit der Japanerin betrogen hat und er versucht sie zu finden.
Das Buch hat mir selber einige Probleme beim Lesen bereitet. Besonders die Beschreibungen der Sexpraktiken der Japanerin mit Hunden und die immer wieder auf Schwanzlutschen und feuchten Muschis reduzierten wiederholten Beschreibungen des Zusammenlebens zwischen Frau und Mann, sowie die Beschreibung der Praktiken eines Pädophilen mit einem kleinen Mädchen finde ich frauenfeindlich und für die Handlung nicht notwendig. Auch die kranken Phantasien des Florent-Claude, der Schießübungen macht, um den vierjährigen Sohn seiner einstmals Geliebten zu ermorden, um wieder mit ihr eine Beziehung einzugehen, finde ich absurd und grausam. Sein Motto: "Wer nicht den Mut hat zu töten, hat nicht den Mut zu leben!" entspringt dem Hirn eines Psychopathen, wie der Hauptprotagonist einer ist, und unterstreicht den schwarzen Sarkasmus des Autors beim Schreiben dieser Geschichte. Auch Goethe als "altes Rindvieh und einem der grauenvollsten Schwafler der Weltliteratur" hinzusstellen, entbehrt jeder Realität.
Zusammenfassend kann ich nur feststellen, das das Buch die Diskussion um den Sinn des Lebens bereichert. Auf jeden Fall regt es zum Nachdenken an, ob wirklich schnell verschriebene Pillen und Alkohol das Leben bereichern oder ehe zerstören können. Es gibt Einblicke in die EU Politik und dadurch entstandene verzweifelte Lage der Bauern in Frankreich.
 Es ist ein düsteres Buch, das einem mit vielen Fragen alleine lässt : „Die meisten Menschen leben mit der Verzweiflung, hin und wieder fragen sie sich trotzdem, ob sie sich zu einem Hauch von Hoffnung hinreißen lassen sollen, zumindest stellt sich ihnen die Frage, bevor sie sie verneinen. Dennoch machen Sie beharrlich weiter und das ist ein bewegendes Schauspiel. “

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen