Donnerstag, 9. November 2017

Rezension zu " Unterleuten" von Juli Zeh





Inhalt

Manchmal kann die Idylle auch die Hölle sein. Wie das Dorf "Unterleuten" irgendwo in Brandenburg. Wer nur einen flüchtigen Blick auf das Dorf wirft, ist bezaubert von den altertümlichen Namen der Nachbargemeinden, von den schrulligen Originalen, die den Ort nach der Wende prägen, von der unberührten Natur mit den seltenen Vogelarten, von den kleinen Häusern, die sich Stadtflüchtlinge aus Berlin gerne kaufen, um sich den Traum von einem unschuldigen und unverdorbenen Leben außerhalb der Hauptstadthektik zu erfüllen. Doch als eine Investmentfirma einen Windpark in unmittelbarer Nähe der Ortschaft errichten will, brechen Streitigkeiten wieder auf, die lange Zeit unterdrückt wurden. Denn da ist nicht nur der Gegensatz zwischen den neu zugezogenen Berliner Aussteigern, die mit großstädtischer Selbstgerechtigkeit und Arroganz und wenig Sensibilität in sämtliche Fettnäpfchen der Provinz treten. Da ist auch der nach wie vor untergründig schwelende Konflikt zwischen Wendegewinnern und Wendeverlierern. Kein Wunder, dass im Dorf schon bald die Hölle los ist …


Autorin:


Juli Zeh, 1974 in Bonn geboren, studierte Jura in Passau und Leipzig. Schon ihr Debütroman "Adler und Engel" (2001) wurde zu einem Welterfolg, inzwischen sind ihre Romane in 35 Sprachen übersetzt. Ihr Gesellschaftsroman "Unterleuten" (2016) stand über ein Jahr auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Juli Zeh wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Rauriser Literaturpreis (2002), dem Hölderlin-Förderpreis (2003), dem Ernst-Toller-Preis (2003), dem Carl-Amery-Literaturpreis (2009), dem Thomas-Mann-Preis (2013) und dem Hildegard-von-Bingen-Preis (2015).


Taschenbuch: 656 Seiten 
Verlag: btb Verlag (11. September 2017) 
Sprache: Deutsch 
ISBN-10: 3442715733 
ISBN-13: 978-3442715732
zu kaufen : http://amzn.to/2hnqIFM

Meine Einschätzung
 

Juli Zeh schafft es, mit ihrem Roman das große Ganze im Kleinen zu erzählen. Die Geschichte spielt im winzigen Dorf „Unterleuten“ in Brandenburg. Die Zahl der Dorfbewohner ist überschaubar, die Charaktere sind jedoch vielfältig: Von Ossi bis Wessi, von Akademiker bis Arbeiter, von jung bis alt. Es scheint beinahe so, als wenn der Leser in Unterleuten die Gesellschaft unter einem Brennglas sieht. Konflikte sind da vorprogrammiert. Und die gibt es im kleinen brandenburgischen Dorf genauso wie in Hamburg, München oder Berlin. Es geht um Landflucht, um Ehekrisen, DDR-Nostalgie, Geschlechterkonflikte. Und zu allem Übel soll dann auch noch ein Windpark gebaut werden. Mit dem Setzen des emotionalen Themas der Energiewende kippt die Autorin noch einmal Benzin ins Feuer. Die ohnehin schon bestehenden Konflikte der Dorfbewohner werden verstärkt und entladen sich. Ein interessantes gesellschaftspolitisches Schauspiel! Doch obwohl Juli Zeh versucht, die Themen der Zeit aufzunehmen und in ihrem Gesellschaftsroman zu bündeln, wirkt das Buch schon wenige Monate nach seiner Erscheinung im März 2016 komplett überholt. Das Thema Flucht und Migration spielt keine Rolle, ebenso wenig wie Fremdenfeindlichkeit. Juli Zehs Roman wird damit zum Opfer einer unglaublichen politischen Dynamik, die Politik und Gesellschaft im Jahr 2016 vermutlich selber überrascht hat. Damit wirkt „Unterleuten“ aus der Zeit gefallen. Schade, vermutlich hatte Juli Zeh selbst einen anderen Anspruch. 
Mein Leseexemplar von Randomhouse kurz nach Erscheinen im März 2016 habe ich als gebundene Ausgabe erhalten. Inzwischen ist im September ein Taschenbuch erschienen.
 

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